Es ist wieder Chorprobe, wie jeden Donnerstag. Sie freut sich wie alle anderen, miteinander zu singen und zu erleben, wie die Stimmen, wenn sie aufeinander hören, eine einzige große Klangwolke bilden.Sie liebt ihre eigene Stimme, wenn sie aus dem Mund kommt und die Höhe von alleine findet, sie mag es, wenn der ganze Körper zu schwingen beginnt. Am Anfang, beim Einsingen, geht die Anspannung des Tages weg, sie wird frei und leicht. Wenn sie nicht singt und die Ohren zumacht, dann singen die anderen, und sie kann sich einbetten in ein behütetes Gefühl.
Sich einzuordnen in die anderen, aufeinander zu hören, das macht das Singen so schön. Und wenn es dann einige gibt, die herrliche Stimmen haben, ist das Glück perfekt.
Die Chorleiterin beflügelt sie jedes Mal aufs Neue mit ihrem feinen Ohr und ihrer Begabung, das Ganze zu hören und die Details zu üben.
Ein Chor ist auch eine Gemeinschaft, die Leute lernen sich mit der Zeit besser kennen und schätzen. Geburtstage werden besungen und der kleine Geburtstags-Umtrunk gibt ihr die Möglichkeit, aus sich herauszugehen und mit den anderen zu reden. Wenn sie heimgeht, fühlt sie sich von einer großen Gemeinschaftserfahrung geborgen, die sie sonst nirgendwo im Alltag erlebt.
Das, was den Einzelgesang vom Chor unterscheidet, ist die heilende Wirkung, die die Gemeinschaft auf alle Menschen ausübt. Im Chor sind alle gleich. Im Chor gibt es keine Hierarchie unter den Singenden, jede Stimme erzählt ihre eigene Geschichte. Der Chor ist wie eine Familie, eine Sippe, ein Clan. Und seine gemeinsame Sprache ist die Musik der Engel.
„Das älteste, echteste und schönste Organ der Musik, das Organ, dem unsere Musik allein ihr Dasein verdankt, ist die menschliche Stimme.“
(Richard Wagner)